ie bitterböse Revue über eine Reihe von „Jubiläen“ der österreichischen Geschichte beginnt mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Als Bühne für diese Ereignisse dient ein Kaffeehaus, das immer wieder seinen Zustand und seinen Namen ändert. Werden in der „Wiener Konfiserie“ in Sarajevo auf den Tortenvitrinen die Leichen der „Thronfolger“ provisorisch analysiert, so begegnet uns bei der Wiedereröffnung in Wien als „Café Sarajevo“ ein glückloser Gipstortenbauer namens Schickelgruber, der als Aushilfskellner an der Aussprache des Wortes „Powidltatschkerln“ scheitert – und weil er beim Servieren zu oft den rechten Arm hochreißt. 1944 – eine Umbenennung in Café Staatsmann schien inzwischen angeraten – schickt die Serviererin eine Taube in den Volkssturm, damit auch sie ein Opfer zu beklagen habe, die Speisekarte hat indes nur noch heißes Wasser und Gipstorten zu bieten. In mehr als dreißig Rollen kommen neben Personal und Gästen u.a. mehrere Völker, der Kaiser, ein Postbeamter, ein Oberkommandierender, Kühe, Kirchenglocken, Hubschrauber und Fanfaren zu Worte. Die letzten Urteile über das zur Branntweinstube verkommene Kaffeehaus sprechen fünfzig Jahre später ein Immobilienmakler und ein Altwärenhändler, der immerhin noch ein kleines Blechschild entdeckt: Austria erit in orbe ultima. Fohmarkt. Abtransport. Viel mehr wird es nicht werden.
Von Gerhard Ruiss
Szenische Lesung: Jochen Ganser, Anna Maria Tschopp, Birgit Unger
Medien: Heinz Gubler, Johannes Rausch
Regie: Sabine Wöllgens